Veranstaltungen müssen abgesagt werden – was nun?
Wenn der Alltag nicht mehr so ist, wie wir ihn bisher kannten und wie wir ihn erwartet haben, wenn ein Virus die ganze Welt in Atem hält, wenn Stürme, Regen und Trockenheit überall auf der Welt heftiger werden, dann sehe ich darin eine Botschaft des Lebens:
Stopp, halte inne und denke nach!
Ich sehe diese Botschaft des Lebens als freundschaftlichen Rat, denn die Aufgabe eines wahren Freundes ist es, mir mein Handeln zu reflektieren und nicht mir nach dem Munde zu reden. Daher sind die Ratschläge eines echten Freundes auch manchmal unbequem. Der wahre Freund setzt sich erstmal neben mich, ist bei mir. Er reicht mir nicht sofort die Hand, um mich reflexartig wieder hochzuziehen, wenn ich niedergeschlagen bin, sondern er hält meine Hand und hört mir zu und berät mich. Diese Botschaft des Innehaltens ist sogar sehr unbequem, denn sie bedeutet auf jeden Fall Unordnung und wirtschaftliche Verluste für einen Großteil der Gesellschaft und damit für jeden einzelnen. Weltweit. Tröstlich ist nur, dass es kein Einzelschicksal ist, sondern dass es eine globale Botschaft an uns alle ist. Diese Botschaft bringt mir drei Aspekte wieder ins Bewusstsein:
Erstens die Tatsache, dass wir Menschen auf dem Planet Erde letztendlich doch alle zusammengehören, trotz unserer Unterschiedlichkeit in Bezug auf die Hautfarbe, Sprache oder Kultur. Das Virus aus China macht nicht an den Grenzen stopp, es ist kein asiatisches oder europäisches Problem, auch wenn mancher Politiker das gerne so sehen möchte. Speziell in der Bundesrepublik, dem Exportweltmeister, nutzen wir die Vorteile der Globalisierung für die wirtschaftliche Entwicklung, und jeder Einzelne profitiert beim Einkaufen im Internet und bei der Nutzung des Smartphones von der weltweiten Vernetzung. All das gibt es aber nicht umsonst, alles hat seinen Preis. Durch die weltweite Vernetzung steigt auch die gegenseitige Abhängigkeit voneinander, im Guten wie im Schlechten. Wir kommen nicht darum herum, anzuerkennen, dass das System fragil ist. Wir müssen uns als Gesellschaft und als Einzelperson fragen, welchen Preis wir zu zahlen bereit sind, wenn wir die Vorteile der Globalisierung und Digitalisierung nutzen wollen. Diese Frage betrifft sehr viele Aspekte des Lebens, wie zum Beispiel Biogenetik (genmanipulierte Lebensmittel), Ernährung (Fleischkonsum), Mobilität (CO2-Ausstoß) oder Künstliche Intelligenz.
Zweitens die stetig wachsende Erkenntnis, dass unser Handeln langfristig gesehen globale Auswirkungen hat, auch wenn wir das aus dem Blickwinkel des Einzelnen nicht sofort erkennen. Wir Menschen sind in unseren Fähigkeiten begrenzt. Wir können ohne technische Hilfsmittel nicht das Große und Ganze erfassen und auch nicht das Naheliegende sehen. Das ist kein Vorwurf, sondern für mich immer wieder eine Feststellung im täglichen Leben. Wir haben keinen Überblick, wenn wir nicht von oben auf die Dinge schauen können. Das können wir aber nur mit technischen Hilfsmitteln, indem wir uns in die Höhe begeben. Wir kennen den Blick aus dem Flugzeug beim Start, wenn die Häuser immer kleiner und die Probleme von eben plötzlich unbedeutend werden. Wir kennen die Aussagen von Piloten, die die Erde als Ganzes gesehen und dabei sehr viel Ehrfurcht und Demut bekommen haben.
Das Leugnen der Tatsachen, Hamsterkäufe, Hysterie und Börseneinbrüche sind nur einige Aspekte dieser Einschränkungen, aber sie sind eben menschlich, sie sind Realität, und wir müssen damit umgehen lernen.
Drittens, dass es nicht immer nur eine Richtung im Leben gibt – die nach oben – auch wenn wir uns das alle immer wünschen. Jeder hat schon mal die Erfahrung gemacht, dass man Entbehrungen in Kauf nehmen muss, um seine Ziele zu erreichen oder sich einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht haben wir diese Erfahrung wieder vergessen, weil sie schon so lange her ist. Ich sehe diese Zeit als Zeit der Entbehrung von gewohnten Abläufen. Entbehrungen fördern die Kreativität und das Improvisationstalent und vor allem fördern Entbehrungen die Vorfreude auf die Zeiten, wenn die Krise überstanden ist. Die gefüllten Regale im Supermarkt werden wieder mit Wertschätzung betrachtet, der „normale“ Messebetrieb bekommt wieder einen besonderen Reiz, soziale Kontakte werden auf einmal wieder als etwas Besonders wahrgenommen.
Aus der Perspektive des Veranstalters betrachtet sehe ich folgenden Zusammenhang: Bei einer Veranstaltung trete ich in persönliche Beziehung zu meinem Publikum, um zu feiern, zu informieren, zu lehren oder mich in einer sonstigen Form mit anderen Menschen auszutauschen. Mein Denken, meine Worte und meine Taten sind also nach außen gerichtet, zu meinem Publikum, zu meinen Mitarbeitern, zu meinen Gleichgesinnten etc. Die momentanen Umstände zwingen mich allerdings, nach innen zu gehen, denn das bedeutet das Wort innehalten. Innehalten ist zusammengesetzt aus den Worten innen und halten. Die Weisheit der Sprache finde ich übrigens immer wieder beeindruckend.
Wenn der Puls der Welt also etwas langsamer schlägt, Schulen geschlossen sind, Fußball vor leeren Rängen gespielt wird und wir dazu aufgefordert werden, soziale Kontakte zu vermeiden, dann haben wir wertvolle Zeit geschenkt bekommen, unsere Gewohnheiten, unsere Geschäftsprozesse und Ziele aus einer neuen Perspektive zu betrachten:
Was ist der eigentliche Sinn hinter der Veranstaltung?
Was ist mir wirklich wichtig im Leben?
Welche Talente schlummern in mir und werden in Zeiten von Krisen wieder wertvoll?
Wie verhalte ich mich in unvorhersehbaren Situationen, wenn mein wahrer Charakter zum Vorschein kommt?
Welche Rolle übernehme ich bei der Bewältigung von Krisen?
Die Antworten auf die Fragen werden nicht sofort ins Auge springen oder auf der Zunge liegen, aber jede einzelne ist es wert, sich damit auseinanderzusetzen. Schwierigkeiten sind immer eine Chance, sein wahres Können zu zeigen. Wir erfahren sehr viel über uns selbst und gewinnen Lebenserfahrung, besonders in Krisenzeiten.
Live-Streaming statt Live-Event?
Wenn es bei Ihrer Veranstaltung um Party, Spaß und gemeinsames Feiern geht, dann ist es empfehlenswert, die Veranstaltung nachzuholen, wenn die Gäste denn auch in Feierlaune sind und nicht nur der Veranstalter. Wenn die äußeren Umstände es erfordern, zeugt es von Verantwortungsgefühl und Weitsicht, eine Feier abzusagen. Niemand wird dann denken „der steht nicht zu seinem Wort“ oder „auf den kann man sich nicht verlassen“. Verantwortlich handeln bedeutet, eine Antwort zu finden auf die jeweilige Herausforderung des Lebens. Es bedeutet nicht, alle Last des Lebens auf den eigenen Schultern zu tragen und es anderen Recht zu machen.
Besonders stilvoll drücken Sie Ihr Bedauern, Ihre Veranstaltung absagen zu müssen, mit einer Videobotschaft an Ihr Publikum aus. Für die Umsetzung stehe ich natürlich mit Rat und Tat beiseite ; )
Wenn es bei der Veranstaltung um Kongresse, Tagungen, Austausch von Fachinformationen, Weiterbildung etc. geht, dann bietet sich das Webinar als Alternative zur Live-Veranstaltung an. Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, auf die Vorteile von gestreamten Live-Events hinzuweisen, weil ich ein Fan von „echten“ Live-Veranstaltungen bin. Wenn eine Live-Veranstaltung gar nicht möglich wäre, weil die Teilnehmer sich aus geografischen, politischen, logistischen, wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Gründen nicht gemeinsam treffen können, dann ist sie auf jeden Fall die einzige Alternative.
Fazit
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Wenn wir uns klarer werden, was uns wichtig im Leben ist, wie die Dinge zusammenhängen und warum Veranstaltungen für uns wichtig sind, dann werden wir schlussendlich gestärkt aus dieser Situation hervorgehen. Ich bin überzeugt davon, dass es einen Schub im Bewusstsein geben wird, wie wir alle miteinander leben und umgehen wollen. Kommunikation war schon immer die einzige Möglichkeit, Veränderungen zu bewirken ohne Gewalt anzuwenden. Messen, Kongresse, Events, Partys und andere Formen der Begegnungen werden wieder einen ganz besonderen Stellenwert in unserem Leben haben, auch wenn wir dafür im Moment einige Gedanken investieren und Entbehrungen auf uns nehmen müssen.